Bericht: Südkurier, 09. August 2006
Lebenserinnerungen auf dem Gartenbänkle
Frieda Strobel und Antonie Diener erinnern sich an ihre Jugend
Rengetsweiler – Während sich halb Rengetsweiler auf die 750-Jahr-Feier des Dorfes vorbereitetet hat, saßen die 87-jährige Frieda Strobel und die ein Jahr jüngere
Antonie Diener in aller Ruhe auf einer schattigen Bank. Ihre Gedanken gingen weit zurück, zu ihren Kinderjahren. Wie alle im Dorf ist ihr Elternhaus ein Bauernhof, vom Hof der Otts kam die Frieda, das Nachbarskind Antonie vom Hof der Schmids. Gleich daneben stand das 1966 abgebrannte Rathaus mit Farrenstall und Scheune.
Die beiden lassen sich nur ungern an das Dritte Reich erinnern, wurden sie doch um die besten Jahre betrogen. 1945 waren beide längst erwachsen. Viele junge Männer aus dem Dorf waren gefallen oder verschollen.
Weil immer mehr Männer in den Krieg mussten, mussten im Dorf alle zusammenhalten, sagt Antonie Diener ernst. Sonst wären die Höfe zu Grunde gegangen. Der Hof der Schmids war 30 Morgen groß, der von Otts maß zwölf Morgen. „Wir sind in einer Zeit auf unseren Höfen groß geworden, als es noch keinen Kunstdünger und keine Maschinen gab.“ Dann kamen 60 Jahre Frieden. Das arbeitsreiche Leben hielt an, beide
Frauen heirateten, bekamen Kinder. Frieda heiratete nach Walbertsweiler und hieß fortan Frieda Strobel, ihre Freundin Antonie verheiratete sich mit Julius Diener mitten im Dorf.
Beide Frauen hatten die Volksschule besucht. Ein Glücksfall für die 60 Kinder zählende Dorfschule war ihr Lehrer Julius Hotz, eine tief religiöse Respektsperson. Er habe viel auf Anstand und Reinlichkeit gehalten, die Kinder seien mit dem guten Häs in die Schule gegangen, um es zu Hause wieder auszuziehen. Vor der ersten Schulstunde wurde gebetet, der Unterricht endete mit einen Lied. In den unteren Klassen wurde
das Schreiben mit dem Griffel auf Schiefertafeln geübt, ab der fünften Klasse wurde mit Tintenfedern auf Papier geschrieben. Einmal die Woche hielt Pfarrer Heinzelmann Religionsunterricht.
Frieda Strobel und Antonie Diener, zwei echte Rengetsweilerinnen, erinnern sich an ihre Jugend. Bilder: Hahn
Sonntags, wenn alle in Dietershofen in der Kirche waren, bewachte der mit einem Stock bewaffnete Dorfhirt das menschenleere Rengetsweiler. Die vom Dorfschmied zu einer stumpfen Lanze geschmiedete Waffe wurde wöchentlich durch den Ortspolizisten an einen anderen Mann weitergereicht. „Zu unserer Zeit“, sagen die beiden betagten Frauen, „war das der Küfer Lotzer, später dann der Halmer Leo, der auch ausschellte und amtliche Bekanntmachungen ausrief.“
Die Rengetsweiler waren nicht immer gute Kirchgänger. Während der vier Jahre nach 1770 müssen sie den Sonntagsgottesdienst gemieden haben wie der Teufel das Weihwasser. Bei seinem Wegzug von Dietershofen schrieb der Pfarrer, der frühere Jesuit Josef Ernst Kolb, wenig Schmeichelhaftes über die Rengetsweiler Katholiken und seine leibliche Schwester, die in Wald als Äbtissin regierte. Nach vielen ungerechten Quälereien der Walder Nonnen wünsche er die Rückkehr des Ordens zu den überseeischen Missionen und zu den Indern, die gesitteter und bildsamer seien
als die Barbaren von Rengetsweiler.